1999-11-02 Tante Marianne auf Besuch |
Die Faithfull zelebrierte im Hafen einen Abend für Nostalgiker der Rock-Geschichte Am Wochenende erwies Marianne Faithfull Innsbruck die Ehre. Oder besser gesagt: Innsbruck und Tirol verbeugten sich vor der zur Zeitzeugin einer bewegten Ära gereiften Chanteuse. von Roman Polak |
INNSBRUCK. Ruft die Lady mit dem unverkennbaren Hauch Verzweiflung im Timbre und einer an einschlägigen Rock'n'Roll-Ausschweifungen reichen Vita zum Konzert, sind wir selbstverständlich alle mit von der Partie. Eine große Familienfeier steigt mitten im Veranstaltungszentrum Hafen: Tante Marianne, die in ihrer Jugend nichts versäumt hat („We were doing a lot of mushrooms in '76, weren't we?") ist auf Besuch und bringt natürlich die Songs mit. Lucy Jordan und so weiter, eh schon wissen. Noch immer können wir uns nicht satt hören an ihren alten Geschichten von Jimmy Page und all den anderen Jungs. Wow, waren das Zeiten! Damals, lange bevor wir den Job bei der städtischen Verwaltung antraten. Wie anständig: Selbst unsere Kinder, deren gelangweilten Altersgenossen nebenan beim Rave ihr Lehrlingsgehalt verdröhnen, jubeln auf, wenn Tantchen „Working Class Hero“ anstimmt – die Ballade vom eingelullten Proletarier. Doch viele ihrer Lieder sind mittlerweile etwas ruhiger geworden, wie Marianne wohl selbst auch. So schwelgen wir, einst mit Pete Townshend von The Who dem Tod den Vortritt vor dem Alter lassen wollend, gemeinsam über im 6/8-Takt gesponnenen Elegien an die verflossene Liebe. Wie sanft doch der Bass wummert, wie fein die Folk-Gitarre zirpt. Es verirrt sich schon ein zweifelhaftes Kompliment à la „große alte Dame des Pop-Business“ in unsere Gedanken. Da holt Marianne zu deftigeren Klängen aus und stellt klar, dass sie damals von Mick und Keith in Sachen elektrisch verstärkter Gitarrenmusik mehr gelernt hat, als lediglich „As Tears Go By" zu säuseln (ein Titel, den Faithfull mit der ihm gebührenden Beiläufigkeit und mehr aus Höflichkeit gegenüber dem selbstverständlich selig mitwippendem Publikum herunternudelt). Die bewegte Frau, bewegend auch noch mit 52. Hoffentlich gibt es ein Wiedersehen. Inzwischen pass gut auf dich auf, Marianne. Und: Grüß Pink Floyd recht schön, wenn du nächstens mit ihnen dinierst! |